Ganz kurz:
Heute ist die endgültige Entscheidung (27 S 7/09) des LG Berlin zur Forumshaftung gekommen, die die 27. Kammer neulich im Rahmen eines 522er-Hinweisbeschlusses schon angekündigt hatte. Das Ding, wenn auch nicht revolutionär und eher etwas für die richtigen Jurafreaks unter uns, beleuchtet eine ganz interessante Detailfrage der Forumshaftung und löst diese – wie ich finde – recht zufriedenstellend.
Technisch: In der Entscheidung verneint die Kammer eine Prüfungspflicht im Hinblick auf andersartig verletzende Drittäußerungen in einem bestimmten Diskussionsthread, selbst wenn zuvor eine Rechtsverletzung in eben diesem Thread abgemahnt wurde. Und wenn ich den Beschluss richtig verstehe, soll das auch dann gelten, wenn es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, dass in dem Thread weitere Rechtsverletzungen herumliegen. Das Gericht wörtlich:
“Sie [die Beklagte] war insbesondere nicht verpflichtet, aufgrund der vorangegangenen Abmahnung die Beiträge im Diskussionsforum darauhin zu überprüfen, ob darin ‘unbewiesene, falsche Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen’ in Bezug auf den Kläger verbreitet werden. Die Beklagte konnte doch schon gar nicht wissen, welche Tatsachenbehautpungen unbewiesen, bzw. falsch sein sollen und welche ggf. von dem Kläger als beleidigend empfunden werden würden.
Der Kläger hätte etwaige, weiterhin im Thread der Beklagten befindliche Inhalte mit verleumderischen Charakter daher konkret gegenüber der Beklagten abmahnen müssen. Dies hat er aber zu keinem Zeitpunkt getan, so dass der Einwand, die etwaigen Verleumdungen zögen sich wie ‘ein roter Faden’ durch den ganzen Thread und seien sämtlichst von seinem Abmahnschreiben erfasst gewesen, nicht trägt.”
Heißt im Klartext: Wenn der Verletzte den Forumsbetreiber über die Rechtswidrigkeit von Kommentar A (wirksam) in Kenntnis gesetzt hat, muss dieser Kommentar A entfernt und der Thread in angemessenem Umfang daraufhin überprüft werden, ob dieser Kommentar A oder ein Kommentar (kern-)gleichen Sinngehalts noch irgendwo gepostet wurde (ist das der Fall, muss der kerngleiche Kommentar natürlich auch entfernt werden). Nach Auffassung des LG Berlin muss der Forumsbetreiber aber nicht denselben Thread nach den etwaig rechtswidrigen, aber inhaltlich ganz anderen Kommentaren B, C und D durchforsten und mutmaßen, was den Anspruchsteller denn sonst noch so stören könnte. Eine Haftung für die Kommentare B, C und D kommt nur in Betracht, nachdem der Verletzte den Forumsanbieter erneut (wirksam) und jeweils separat in Kenntnis gesetzt hat.
Nach meinem Dafürhalten setzt sich das Landgericht Berlin, das normalerweise saustreng ist, damit en passent über die durch das OLG Hamburg im Fall heise.de begründete Rechtsprechung hinweg, wonach “eine spezielle Überwachungspflicht des Betreibers dann … angemessen [ist], wenn dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beiträge Dritter provoziert hat, oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden ist, und sich die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert hat”. Das OLG Hamburg befürwortet also auch eine Prüfungspflicht in Bezug auf die inhaltlich vielleicht andersartigen Kommentare B, C und D, nachdem der Betreiber über die Rechtswidrigkeit des Kommentars A wirksam in Kenntnis gesetzt wurde .
LG Berlin: Respekt! Breathing Space!
One Comment
Wie *kann* man überhaupt “Beiträge überprüfen, ob darin Beleidigungen” enthalten sind?
Richtig: Gar nicht. Der “Beleidiungsparagraph” §185 StGB ist infolge völliger inhaltlicher Bestimmung komplett gegenstandslos; “Beleidigungsprozesse” sind dementpsrechend immer reine Verbrechen.
Zugegeben, es gibt eine Faustregel: “Ehrenschutz ist Täterschutz”. D.h. Wer die Wahrheit sagt, wird wegen “Beleidigung” verurteilt. Zugleich muss er es aber hinnehmen, wenn er selbst aufs übelste mit klaren Lügen verleumdet wird. Zweierlei Maß bei der “Ehrenschutzjustiz” ist das Maß aller Dinge.
Wer es jetzt noch immer nicht begriffen hat, informiere sich über die rettungslosen Widersprüche bei der (Nicht-) Bestrafung von Formulierungen wie A***loch, Idiot etc. pp.
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