Datenschutz und Meinungsfreiheit

Kommenden Mittwoch findet in Berlin das DAV-FORUM Datenschutz statt. Headline:  “Privatsphäre in der globalen Informationsgesellschaft. Ist der Datenschutz noch zu retten?”. Das Programm (pdf) ist recht spannend. Referieren wird u.a. unsere Bundesjustizministerin. Auch ich werde einen Vortrag zu einem meiner derzeitigen Lieblingsthemen halten. Datenschutz und Meinungsfreiheit. Das Panel teile ich mir mit Thilo Weichert vom ULR in Schleswig-Holstein, was eine lebhafte Diskussion verspricht. Vorausgesetzt, wir haben genug Zeit. Der DAV hat jeden Referenten gebeten, vorab ein Abstract zu verfassen. Das Abstract zu meinem Vortrag möchte ich hier und im Folgenden gerne veröffentichen.

Datenschutz und Meinungsfreiheit: Regulierung von Medieninhalten über das BDSG?

Die Äußerung im Internet nimmt in gleichem Umfang am Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG teil wie die Äußerung in Offline-Medien. Spätestens seit der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2003 (RS. C-101/01, Lindqvist) ist die Äußerung über andere lebende Personen im Web jedoch zugleich als Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes anzusehen. Dies ist folgenreich: Mit den in § 3 a BDSG normierten Postulaten der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit verlangt das Datenschutzrecht schon aus Prinzip nach einem “Weniger” an Äußerungen im Internet. Streng datenschutzrechtlich betrachtet, steht die Kundgabe von Meinungen im Internet ferner unter dem Verbot mit Erlaubnisverbot des § 4 Abs. 1 BDSG und unter der behördlichen Aufsicht der Landesdatenschutzbeauftragten. Als Ausnahmenormen sind die Erlaubnistatbestände der §§ 28, 29 BDSG grundsätzlich eng auszulegen. Zweifel gehen zulasten des sich Äußernden. Die Verpflichtungen der §§ 33 und 29 Abs. 2 BDSG lassen sich für aktive Internetnutzer in praktischer Hinsicht kaum erfüllen. Das Medienprivileg des § 41 BDSG nicht für Abhilfe sorgen, weil es nach klassischer Lesart und in Abgrenzung zu den Online-Medien des § 57 RfStV nur traditionelle Printmedien (“Presse”) erfasst.

Die Meinungsäußerung im Internet wird gegenüber Äußerungen in anderen Medien nicht nur – überspitzt formuliert – rechtlich diskriminiert. Die (einfachrechtlichen) datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Äußerung im Internet kollidieren vor allem mit der (grundgesetzlich garantierten) Meinungsäußerungsfreiheit.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 GG ist die Meinungsfreiheit als “besonderes Grundrecht” zu begreifen. Seit der Entscheidung Lüth (BVerfGE 7, 198) gilt die Wechselwirkungslehre, wonach die Wirkkraft von Gesetzen, die die Meinungsfreiheit einschränken, ihrerseits zu begrenzen ist. Im Falle der Kollision mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht genießt keines der Interessen den automatischen Vorrang (BVerfGE 35, 202 – Lebach). Im Gegenteil: Um eine möglichst lebhafte Debatte über öffentlichkeitsrelevante Themen zu ermöglichen, besteht zugunsten der Meinungsfreiheit streckenweise gar eine Vermutung der Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 61, 1, 7 – NPD Europas). In nahezu jedem Fall muss zumindest eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgen. Die Meinungsfreiheit ist auch das Recht zur Selbstentfaltung in der Kommunikation (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2010, 1 BvR 2477/08). Faktische Hürden für die Ausübung der Meinungsfreiheit dürfen daher grundsätzlich nicht geschaffen werden.

Ein verfassungsrechtliches Gebot, wonach all dies im Internet nicht gelten soll, gibt es nicht. Mit dem “groben Handschuh” des Datenschutzrechts lässt sich die über Jahrzehnte ausdifferenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis der Meinungsfreiheit zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht fassen. Tragende Prinzipien des Datenschutzrechts, insbesondere die §§ 4, 29 Abs. 2 und 33 Abs. 1 BDSG, sind mit Art. 5 GG schwer in Einklang zu bringen. Die Meinungsfreiheit steht vor allem nicht zur Disposition des (einfachen) Gesetzgebers. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung hat dies zwar erkannt und die datenschutzrechtlichen Verpflichtungen des § 29 Abs. 2 BDSG zugunsten der Ausübung der Meinungsfreiheit erheblich eingeschränkt (“Gesamtabwägung”, BGHZ 181, 328). Allerdings scheint diese Rechtsprechung zum einen die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung zu überschreiten. Ferner schafft sie eine nur punktuelle Lösung einer datenschutzrechtlichen Einzelfrage, die weitere ungeklärte datenschutzrechtliche Verpflichtungen des sich Äußernden, vor allem die Unterrichtungspflicht nach § 33 Abs. 1 BDSG, unberührt lässt. Jenseits all dessen bestehen prinzipielle Bedenken, die Ausübung der Meinungsfreiheit unter die behördliche Aufsicht der Landesdatenschutzbeauftragten zu stellen.

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One Comment

  1. Simone Herz
    Posted 6. November 2010 at 09:37 | Permalink

    Siehe auch daten-speicherung.de – Meinungsfreiheit überwiegt Datenschutz

    http://www.daten-speicherung.de/index.php/meinprofde-meinungsfreiheit-ueberwiegt-datenschutz/