DIE ZEIT: “Juristisch ist offline gleich online”

In ihrer neuesten Ausgabe (Nr. 23 vom 28. Mai 2009) widmet sich DIE ZEIT gleich auf Seite 2 eines der wesentlichen Themen dieses Blogs, nämlich der Geltung, Anwendung und Durchsetzung des Rechts im Netz. “Wider die Ideologen des Internets” von Heinrich Wefing ist ein sehr lesenswertes Dokument, das bis auf die etwas platte Feststellung, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, die Grabenkämpfe um (k)einen Rechtsrahmen zwischen berufsmäßigen Internetschlechtfindern und einer selbsternannten digitalen Bohème ganz gut auf den Punkt bringt. In meinen aktiven Wortschatz werde ich übrigens den Begriff “Adaptionsverzögerung” aufnehmen, der bestimmt aus der Medizin (mein Tipp: Reizphysiologie) oder irgendeiner ansonsten grauen Ingenieurswissenschaft stammt, und mit dem der Autor die “schwierige Anpassung des uralten kulturellen Systems Recht an die neue Kulturtechnik des Internets” überschreibt.

Über weite Strecken trifft der Beitrag außerdem meine persönliche Meinung: So kann die Geltung des Rechts nicht davon abhängen, ob jemand seinen Rechner ein- oder ausschaltet [Kleiner Exkurs, der mir am Herzen liegt: Was bisweilen nur erzürnen muss, ist die diskriminierende Tendenz der rechtsprechenden und vollziehenden Gewalten, das Recht strenger anzuwenden, nur weil im Sachverhalt irgendjemand einen ans Internet angeschlossenen Rechner nutzt oder Dritten die Nutzung eines solchen ermöglicht, siehe LG Hamburg, Stichwort "gefährliche Einrichtung", und auch der Düsseldorfer Kreis und die Bayrischen Datenschutzbehörde haben in der Vergangenheit schon so einiges abgesondert, was unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit arg stutzig machen sollte]. Auch ist das Internet prinzipiell und trotz aller Durchsetzungsschwierigkeiten einer spezifischen Regluierung zugänglich. Und schließlich erachte auch ich die von der eher amorphen Peer Group der “Cyberlibertarians” ausgehende – so Wefing – “antibürgerliche Gravitation” als zu bedauernde Entwicklung, denn sie befeuert eine Gratismentalität sowie die Forderung nach Außerkraftsetzung jedweder Norm, die durch nichts in der Welt gerechtfertigt sind. Das kann man ruhig auch als “Senkung zivilisatorischer Schwellen” bezeichnen. Vorziehen würde ich es, wenn die Cyberlibertarians sich der Mittel der Demokratie bedienen, die ja die schlechteste Staats- und Gesellschaftsform der Welt nicht ist. Anstatt – siehe Pirate Bay – das Gesetz in angeberischer Pose zu brechen, um schlussendlich den Richtern einen Strick daraus zu drehen, wenn sie das Gesetz anwenden, sollte der gemeine Cyberlibertarian also eher ernsthaft über das Sinn oder Unsinn des Gesetzes diskutieren, (wie Kollege Till Kreutzer das tut).

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, kurz noch zu einem Punkt, in dem ich mit Heinrich Welfing nicht übereinstimme: Ich bin gegen Internetsperren und kann nur an jeden appellieren, die Mühe der grueslig langsamen und umständlichen Onlinepetition auf sich zu nehmen, um dagegen zu stimmen. Eine Begründung meiner Haltung erspare ich mir hier und verweise stattdessen auf das bereits andernorts von anderen gut Geschriebene .

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One Comment

  1. Andreas Praefcke
    Posted 23. Juni 2009 at 17:46 | Permalink

    “So kann die Geltung des Rechts nicht davon abhängen, ob jemand seinen Rechner ein- oder ausschaltet.” Genau das ist aber leider das politische Programm. Per Brief werden ebenso Kinderpornos und Bombenanleitungen verschickt, aber Briefe werden bislang nicht zensiert. Völkerball und Schach sind genauso “virtuell” menschenverachtend wie manche Computerspiele, von einem Verbot hört man nichts. Wenn ich mich mit meinen Freunden im Café unterhalte, muss ich bislang noch kein Namensschild tragen, aber mein twitter-Account soll womöglich ein Impressum haben. Und so weiter, und so fort.

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